Fortdauern

Nach dem Ende der NS-Herrschaft blieb faschistisches Denken in Österreich dennoch lebendig. Zahlreiche Amtsträger:innen konnten ihre Arbeit nach 1945 nach einer kurzen Unterbrechung weiterführen. Ein besonders markantes Beispiel für Kontinuität in Krems ist Max Thorwesten, der nach dem sogenannten „Anschluss“ 1938 für fünf Jahre Bürgermeister von Krems war. 1969 wurde er erneut gewählt und übte sein Amt weitere sieben Jahre aus.

Von Kontinuität zu sprechen, bedeutet auch, die Vorgeschichte des Nationalsozialismus zu thematisieren – und Krems als zentralen Ort für die Vorbereitungsarbeit der NS-Herrschaft in Niederösterreich. So war Krems nach den Gemeinderatswahlen 1932 die erste österreichische Stadt, in der die NSDAP den Bürgermeister stellte. Ab März des Folgejahres regierte Engelbert Dollfuß als Kanzler ohne Parlament. Seine austrofaschistische Diktatur weigerte sich, sich dem nationalsozialistischen Deutschland anzuschließen, und verbot, nach einem Anschlag von SA-Männern auf ihre Hilfspolizisten im Alauntal, die NSDAP in ganz Österreich. Das Verbot wurde zum Anlass für Gewalt, Terrorakte und später Putschversuche österreichischer Nationalsozialist:innen. In dieser Zeit koordinierte Josef Leopold, späterer Gauleiter der NSDAP in Niederösterreich, die Partei in ganz Österreich von Krems aus. Im März 1938, mit der Machtergreifung der Nationalsozialist:innen, wurde Krems zur „Gauhauptstadt“ von Niederdonau bestimmt.

Kontinuitäten nehmen manchmal auch verschlungene Wege. Ein Beispiel dafür ist das Julius-Raab-Denkmal am Rand des Stadtparks. Mit ihm wird seit 2016 der „Staatsvertragskanzler“ geehrt, der in militärischer Uniform dargestellt ist. Das Denkmal steht in unmittelbarer Nähe zum Sappeur- und Pionierdenkmal, vor dem Julius Raab 1929 als Heimwehr-Führer der Sozialdemokratie mit ihrer Zerschlagung drohte. Durch ihre bloße Nachbarschaft zeigt die kürzlich errichtete Statue eine Kontinuität von Politiker:innen-Karrieren der Zweiten Republik auf, die im Austrofaschismus ihren Anfang nahmen.

Durch Monumente dieser Art, durch Straßennamen, aber auch durch unsichtbar gemachte oder zerstörte Orte, lebt die Geschichte in der Gegenwart weiter. Die großflächige Zerstörung des Bahnhofsviertels etwa bleibt heute noch spürbar durch die fast ausschließliche Präsenz von Nachkriegsbauten. An anderen Orten lässt sich das Nachwirken faschistischen Denkens im öffentlichen Raum ablesen, und im Umgang mit ihnen lässt sich dieses Fortdauern dokumentieren, aufarbeiten und ihm durch kritische Geschichtsarbeit aktiv entgegenwirken.