Jeder historische Ort ist umstritten. Wo sich die einen Trost bei ihren „Helden“ suchen, sehen die anderen Kriegstreiber:innen und Mörder:innen. Denkmäler wie das des Generals Karl Eibl propagieren eine glorreiche militärische Vergangenheit und machen damit die Verbrechen vergessen, die die Wehrmacht speziell in der Sowjetunion begangen hat. Das Denkmal für die Sappeure des Ersten Weltkriegs war immer wieder auch Versammlungsort rechter und rechtsextremer Gruppen.
Dass Erinnern und Gedenken Kämpfe um die Geschichte und um das Selbstbild sind, konnte man auch nach dem Zweiten Weltkrieg erleben, als die sowjetische Besatzungsmacht die im Kriegsgefangenenlager STALAG XVII B zu Tode gekommenen Soldaten der Roten Armee ins Herz der Stadt Krems umbetten ließ. Indem sie den zentralen Platz der Stadt in einen Friedhof verwandelte, wollte sie den Bürger:innen ihre Mitschuld täglich vor Augen führen. Auch mit den Denkmälern für die griechischen und polnischen Opfer des Massakers im April 1945 im Gefängnis Stein sind Gedenkorte entstanden, die die Kremser Bürger:innen auffordern, Verantwortung gegenüber der eigenen Geschichte zu übernehmen. Denn Erinnerung vergeht. Es sind die zeitgenössischen Künstler:innen und ihre Werke, die in der Stadt Krems auf die poetischen Kräfte bei der Arbeit an Geschichte aufmerksam machen. Wie Erinnern mit Vergessen zusammenwirkt, zeigen zum Beispiel die 105 Teppichbilder, die die Künstlerin Iris Andraschek vor den ehemaligen Wohnorten vertriebener jüdischer Frauen auf den Gehweg gemalt hat. Sie hat dafür Leimfarbe benutzt. Die Schritte der Vorübergehenden, genauso wie der Regen, lassen diese Bilder langsam vergehen, so wie auch wir ohne dauernden Anstoß zum kritischen Erinnern vergessen würden.
Seit den 1980er Jahren wurde die Auseinandersetzung mit der Geschichte des Nationalsozialismus in Krems vorrangig von privaten Initiativen getragen. Seit 2019 berät der Historiker:innenbeirat den Gemeinderat, der immer wieder Initiativen zum kritischen Umgang mit Geschichte setzt. Es wird in Geschichtsbilder eingegriffen: etwa durch eine Erläuterungstafel neben dem Karl-Eibl-Denkmal, die jene geschichtlichen Zusammenhänge benennt, die das Denkmal selbst vergessen machen will. Auch die Namensgebung ist ein wichtiges Feld kritischer Geschichtsarbeit. Seit ein kleines Areal am Rand der Steiner Altstadt Hedwig-Stocker-Park heißt, bleibt der Name einer aufrichtigen Gefängnisaufseherin im öffentlichen Gedächtnis. Und dass die NS-Dichterin Maria Grengg auf einem Straßenschild der Pädagogin Margarete Schörl Platz machen muss, signalisiert eine kritische Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte. Dass auch hier vielfältige Interessen gegeneinanderstehen, zeigt sich beim Franz-Zeller-Platz. Als dort das neue Ausstellungshaus eröffnet wurde, wünschte man sich dafür einen „Museumsplatz“. Das Straßenschild mit dem Namen des kommunistischen Widerstandskämpfers hängt heute nur noch über einem schmalen Rasenstück.